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Dare to be Square: Square UpInternational bekannt. Weltweit getanzt. Jetzt hier.All around the Corner: Forward and Back: 15 Punkte im Quadrat. Eingebettet. Offen. Versteckt. Wheel around: Shoot the Star: Dive Through:Skulpturen. Performances. Musik. Slip the Clutch: Box the Gnat: Ocean WaveIdeen. Projekte. Gedanken. Gefühle.All around the Corner: Sweep the Quarter: Circulate:Square Dance. Kunst. In Tuttlingen.
EInführung
Tuttlingen bietet im Zuge der aktuellen Erneuerung der Innenstadt eine willkommene Bühne für künstlerische Aktionen. Es ist der geeignete Zeitpunkt, um sich mit anderen und neuen Sichtweisen auf die gewohnte Umgebung zu befassen. Die Gunst der Stunde nutzend, gab die Abteilung Stadtplanung den Impuls für das Projekt Square Dance. Bewusst wurde der Blick von Außen angestrebt, und so ist es als eine glückliche Fügung zu betrachten, dass die Professoren Mariella Mosler und Udo Koch mit den Studierenden der Bildhauereiklassen der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart die Einladung nach Tuttlingen angenommen haben. Bei einem Kolloquium haben sich die Studenten mit der Stadt auseinandergesetzt und in der Folge Projektideen entwickelt, die sie einer Jury bestehend aus Mitarbeitern der Stadt Tuttlingen und Mitgliedern des Kunstkreises Tuttlingen e. V. sowie Vertretern des Gemeinderats präsentierten. Von 22 Entwürfen gelangten schließlich 14 Projekte zur Umsetzung, die die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf Orte am Marktplatz, in Seitenstraßen, Plätzen und verschachtelte Hinterhöfe lenken.
LAURA BECKER gibt uns in ihrem Projekt die Möglichkeit, Tuttlingen mit anderen Augen zu sehen. Unter dem Titel Neu in Tuttlingen erstellt sie als Ortsfremde während ihres über einen längeren Zeitraum reichenden Auf- enthaltes in der Stadt ein Tagebuch, in dem sie ihre Beobachtungen niederschreibt und erlebte Begebenheiten skizziert. Ihre Texte und Zeichnungen können im Schaufenster in der Oberen Hauptstraße in Form von Aushängen mitverfolgt werden.VALENTINO BIAGIO fängt mit seinem Lichtecho das Sonnenlicht mit vier runden Spiegeln ein, lenkt es auf ausgewählte Stellen und macht somit in Tuttlingen Unsichtbares sichtbar. Nach den Berechnungen des Künstlers fallen zwischen 12:00 und 13:30 Uhr die Strahlen so ein, dass die im Spiegel erzeugte Lichtreflektion auf den Treppenaufgang im Rathaus scheint und diesen in besonderer Weise hervorhebt.SHIRLEY CHO verteilt goldene Nasen in der Stadt, die Passanten unerwartet im Stadtbild entdecken können. Mit dem Projekt Der Nase nach, für das sie Abgüsse ihrer eigenen Nase verwendet, nimmt sie zum einen Bezug auf ihre eigene Situation als Reisende zwischen den Kulturen. Außerdem greift sie die für sie als Asiatin auffällige Tradition der an Geschäften und Gasthäusern angebrachten Metallschilder auf, die in aufwendiger Gestaltung die Aufmerksamkeit vorbeigehender Menschen ansprechen sollen. Zufällig hat die Künstlerin über diese Schilder und ihre Tradition in einer Zeitung gelesen und dabei erfahren, dass sie als Nasenschilder bezeichnet werden.THERESA DORN bezieht in einer 7 Tage währenden, jeweils 24-stündigen Performance den Projektraum der Stadtplanung in der Oberen Hauptstraße. Somit beschäftigt sie sich mit den akuten Fragen der Grenze zwischen privat und öffentlich, die sich im Zeitalter der totalen Verfügbarkeit von Filmen und Fotos im Netz stellen. In einem Versuch unter mutigem Einsatz der eigenen Person setzt sich die Künstlerin bewusst über eine Woche lang dem voyeuristischen Blick der Öffentlichkeit aus, nicht nur über Kameras, sondern auch über die Schaufensterfront des gewählten Raumes. Indem das Selbstexperiment ein gesellschaftliches Phänomen auf die Spitze treibt, dient es der Erforschung der Möglichkeiten der Selbstfindung und -darstellung unter dem massiven Druck des medialisierten Zugriffs der Außenwelt.JOCHEN DAMIAN FISCHER zeigt mit seinem Leierkastenautomaten die Möglichkeit einer Verbindung von Kunst und sozialem Zweck. Er bezieht eine eigenwillige Position zu dem oft gemachten Vorwurf ein, dass sich die für den selbstverliebten Diskurs der Fachwelt gemachte zeitgenössische Kunst auf einem elitären Rückzug befinde. Der Künstler nimmt mit seinem Kasten aus Granit eine Wiederbelebung des früher von umherziehenden Gauklern als Einkommensquelle eingesetzten Leierkastens vor und erinnert somit daran, dass es auch in einer wohlhabenden Stadt Menschen gibt, die eine Randexistenz führen. Alle im Automaten gesammelten Münzen, die das Spielen einer der vier gespeicherten Melodien auslösen, kommen dem Förderverein Wärme- stube für den Landkreis Tuttlingen e.V. zugute.MARKUS GEHRIG lässt auf der Groß Bruck in Tuttlingen ein Bauschild aufstellen, kündigt dem Betrachter ein Projekt an, das lediglich in der Drehung einer der Straßen- leuchten um 23,5° liegt, also einem subtilen Eingriff in das Gewohnte, der nur auffällt, wenn man genau hinsieht. Hierbei handelt es sich in Wirklichkeit um eine Fiktion, denn das Projekt wird nicht zur Durchführung kommen. Doch gibt das Bauschild den Anstoß zum Nachdenken, wie eine kleine Veränderung die Wahrnehmung auf den Prüfstand stellt und schärft. Es berührt damit eine Kernaufgabe von Kunst.LIS KLEIN greift mit ihrer Skulptur Stacked ein Element des Tuttlinger Hausbaus auf. Bei einer Ortsbegehung entdeckte sie im Heimatmuseum Tuttlinger Haus die aus Ton gebrannten Dachschindeln in ihrer traditionellen schuppenförmigen Form. Sie befasst sich mit Stapelmethoden und errichtet in komplex geschichteter Anordnung eine massive Form eines Quaders, der im Innern unterschiedlich geartete Freiräume offen lässt und mit den Farbnuancen des Materials spielt. Lis Klein lässt mit ihrer Wiederholung des gleichen Formelements eine spannende Querverbindung zwischen traditionellem Handwerk und minimalistischen Arbeitsweisen in der Kunst entstehen.HYUNJEONG KO lässt die Erinnerung an die Architektur der Stadt vor dem großen Stadtbrand 1803 aufleben. Sie hat alte Pläne studiert und zeichnet die Grundrisse von nicht mehr existierenden Vorgängerbauten in blauer Farbe auf den Marktplatz. Irgendwann wird sie auch verschwinden nennt sie ihre zwischen Archäologie, Konzeptkunst, Happening und Landart angesiedelte Arbeit, die sich auch um den Gedanken der Vergänglichkeit der vom Menschen errichteten Bauten dreht.CHRISTOPH KUTTNER beschäftigt sich ebenfalls mit der Spezifik des städtischen Grundrisses von Tuttlingen, das nach dem Stadtbrand in gleichmäßiger Rasterung der Straßenführung und somit basierend auf dem Quadrat wieder errichtet wurde. Er hat die Idee der Veranstalter aufgegriffen, auch die weniger beachteten und doch für die Stadt typischen Hinterhöfe ins Visier zu nehmen und hat dabei entdeckt, dass diese die regelmäßige Quadratur in starkem Maße konterkarieren. De-Quadratur nennt er sinnigerweise sein Projekt mit Straßenschildern, auf denen in einprägsamem Schwarz die unregelmäßigen Innenstrukturen der Quadrate zu sehen sind, deren bizarre Form dem Betrachter zunächst Rätsel aufgibt und ihn staunen lässt.GAKU NAKANO kam beim Betrachten des im Zuge der Sanierung erneuerten Straßenbelags der Fußgänger- zone die Idee, eine Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart zu schaffen. Mit seiner Arbeit Beständige Straße in Form eines Bronzeabgusses eines Elementes des alten Straßenbelages rettet er die Erinnerung an das Vorangegangene in eine neue Zeit hinüber.CAROLINE D´ORVILLEs Beitrag, der im Bereich des Synästhetischen liegt, lenkt die Aufmerksamkeit des Besuchers auf die Stadtkirche und ihre Orgel. Das Projekt Organis transformiert die Orgel der Stadt- kirche Tuttlingen durch grafische Auseinandersetz- ungen in eine musikalische Notation, die am Tag der Vernissage auf genau diesem Instrument zur Uraufführung kommt. Die Künstlerin berücksichtigt in ihrer visuellen Partitur nicht nur die Formen sondern auch die verschiedenen Materialien der Orgel (z.B. Holz, Orgel- metall, Zink, Kupfer, Rinderknochen), die wiederum ihren klanglichen Niederschlag in Tonhöhen, Klangfarben, Dynamik, Tempo, Rhythmik, Charakter, Artikulation etc. finden.JONAS MARIA RIED setzt auf die weiße Wandfläche des historischen Festungsturmes an der Donaustraße eine Holzintarsie mit dem Umriss eines Kleckses. Mit einem gereimten Spruch umschreibt er die seiner Intervention zugrunde liegende Idee: SCHÖNHEITSFLECK gesetzt am richtigen Eck/ wird ein Makel zum Schönheitsfleck/ seit der Renaissance sitzt er auf der koketten Dame/ und strahlt dunkel auf einem Gesicht wie Sahne/ auch ein Stück Holz weder Bild noch Skulptur/ behauptet er sich als Teil der Architektur. CARMEN WEBER ist die Autorin von Zeichnungen, die individuelles Erleben seismographisch in zumeist wie Schrift in einem Buch horizontal verlaufenden Linien- strukturen dokumentieren. Ihr Beitrag liegt in dem Experiment, wie sich die sonst in der privaten Atelier- situation ausgeübte Arbeit im öffentlichen Raum verändert, d.h. wie sich hier äußere Einflüsse gedanklich und motorisch auswirken und formal in der Zeichnung ihren Niederschlag finden. Die Künstlerin setzt sich wiederholt in eines der Tuttlinger Cafés, um auf Lithografiesteine zu zeichnen. Die zeichnerischen Ergebnisse geben in einer unverwechselbaren individuellen Handschrift authentische und nicht wiederholbare Momente an einem bestimmten Ort wieder. Carmen Webers Beitrag verdeutlicht, dass Kunst, auch wenn sie noch so introvertiert scheint, von der Wechselwirkung von Innen und Außen, von Privat und Öffentlich lebt.DAMARIS WURSTER wendet sich mit ihrer Arbeit dem im Erdreich von Tuttlingen Verborgenen zu. Sie regt zum Nachdenken über das auf dem Planeten ohne menschliches Zutun existierende Element Erde an. Sie vergräbt unbelichtete Filme an ausgewählten Orten der Stadt und der Umgebung. Die in einer gewissen Zeit entstehenden witterungsbedingten Veränderungen an der Film- oberfläche lassen beim Belichten ungesehene Bilder entstehen, die Werken der informell-abstrakten Kunst gleichen. Wenn die Künstlerin somit die Natur für sich arbeiten lässt, stößt sie Gedanken über das Verhältnis von Kunst und Natur an.
Die jungen Künstler lassen uns mit ihren verschiedenartigen Herangehensweisen und Themen die Stadt neu entdecken. Für ihr Engagement für Tuttlingen gebührt ihnen sowie den Professoren Mariella Mosler und Udo Koch unser Dank. Kunst berührt viele Bereiche des Lebens und gelingt deshalb am besten, wenn Menschen fachübergreifend zusammenarbeiten. Hierin ist das Projekt SQUARE DANCE vorbildlich, denn es führte innerhalb der Stadt Vertreter der Stadtplanung, des Stadtmarketing, der städtischen Galerie, des Heimatmuseums und der Jugendkunstschule zusammen. Außerdem ist es ein gutes Beispiel für das Zusammenwirken mit den ehrenamtlich Engagierten des Kunstkreises Tuttlingen e.V. , der die jungen Künstler aktiv unterstützt hat. Für alle Beteiligten waren die Entstehungsprozesse von der ersten Vorstellung der Ideen bis hin zu ihrer Realisierung ein außerordentlich spannendes und unvergessliches Erlebnis. Die Mehrzahl der künstlerischen Beiträge sind temporärer Natur, und somit hat die vorliegende Publikation eine wichtige Funktion, indem sie die Erinnerung an das Gewesene ermöglicht und für die Zukunft festhält.
Anna-Maria Ehrmann-Schindlbeck, Galerie der Stadt Tuttlingen
DANKSAGUNG
Unsere Gratulation gilt allen beteiligten Künstlerinnen und Künstlern, die mit ihren Ideen und ihrem Engagement zu dem Ausstellungsprojekt „Square Dance“ beigetragen haben.
Besonderen Dank an Frau Anna-Maria Ehrmann-Schindlbeck, Leiterin der Galerie der Stadt Tuttlingen und Herrn Oliver Bock Leiter der Stadtplanung der Stadt Tuttlingen.
Wir danken den Vorstands- und Beiratsmitgliedern des Kunstkreises Tuttlingen e.V. Felicitas Guggenberger, Karin und Michael Martin und Axel Heil sehr herzlich; ebenso der Jugendkunstschule und dem Heimatmuseums der Stadt Tuttlingen.
Und wir möchten Oberbürgermeister Michael Beck, Bürgermeister Willi Kamm, und allen Beteiligten der verantwortlichen Ämter der Stadt Tuttlingen, namentlich Sarah Mattes für ihre Geduld und ihren Mut danken an diesem spannenden Projekt mitzuwirken.
Wir bedanken uns auch für die wohlwollenden Genehmigungen und Unterstützungen der Realisierung bei den Mitarbeitern des Denkmalamtes und des Bauhofs.
Das Bild- und Textmaterial für Katalog und Webseite ist von Fiona Frahm und Moritz Hahn unter der Leitung von Professor Uli Cluss und unter enormen Zeitdruck erstellt, gesammelt und in eine grafisch anspruchvolle Form gebracht worden. Vielen Dank dafür.
Die involvierten Geschäftsinhaber und Privat-Eigentümer haben viel Verständnis für die künstlerische Arbeit gezeigt; auch ihnen gebührt unser besonderer Dank.
Da so ein ambitioniertes Projekt nicht nur ideell, sondern auch materiell unterstützt werden muss, freuen wir uns sehr über die Förderung durch die Stadt Tuttlingen, das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg und der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart sowie die Unternehmen Charly’s House und Legere Hotel Tuttlingen, die Firmen Maquardt aus Rietheim-Weilheim sowie Aesculap AG aus Tuttlingen.
Jochen Damian Fischer dankt Willi Bucher, Firma Heinz Schellenbaum Naturstein Werkstoffe, Bauhof Tuttlingen, Tillmann Eberwein, Alf Setzer, Armin Hartmann.
Caroline d’Orville dankt Lisa Moll und Helmut Brand.